Karsten KONRAD (*1962 in Würzburg, GER)
Lives and works in Berlin (Germany)
Stadtplaners Workshop
Die 1963 zur großzügigen Fußgängerzone ausgebaute Prager Straße in Dresden gilt als Inbegriff des spätmodernen Städtebaus. Solitäre Bauten standen als Großskulpturen in einem Stadtraum, der noch als Freiraum verstanden wurde, die Fassaden zeigten die ganze Bandbreite dessen, was man aus dem Werkstoff Beton so alles machen kann. Das Restaurant hieß „International“, die Freiraumplanung mit wellenartigen Mosaiken und den berühmten Wasserspielen hatte die Copacabana von Rio de Janeiro zum Vorbild. Die DDR bot hier noch einmal alles auf, um mit großzügiger Geste die Potenz der Plattenbauweise im internationalen Vergleich zu zeigen. Inzwischen sind viele Bauten des Ensembles verschwunden oder – dem ausgeprägten horror vacui unserer Gegenwart geschuldet – zugebaut, eingerahmt und hinter vorgehängten Fassaden versteckt.
Der „Stadtplaners Workshop“ von Karsten Konrad gibt der Prager Straße noch einmal ihre Großzügigkeit zurück, wenn auch ohne das verbindende Element der Freiraumgestaltung, sodass die einzelnen Bauten auf ihren skulpturalen Charakter reduziert werden. Das Rundkino, das wie der Sockel einer überhohen Säule wirkt, das Centrum-Warenhaus mit dem tiefen Relief der Fassade und die drei Scheiben der ehemaligen Interhotels „Bastei“, „Lilienstein“ und „Königstein“ werden in der Arbeit von Konrad vor allem durch die besondere Größe wieder erlebbar. Konrad wählte für die Modelle nicht den üblichen Arbeitsmaßstab des Architekten (1:500 oder 1:200), sondern einen so großen, dass man zwischen den Objekten hindurchgehen kann. So changieren sie zwischen Modellen, die auf einen anderen Ort jenseits des Ausstellungsraums verweisen, und Skulpturen, mit denen sich der Besucher den Raum teilt.
Die Nutzung von Modellen als Mittel der Planung und der Vergegenwärtigung der 3-Dimensionalität ist in der Architektur seit der Renaissance bekannt. Durch die damals sich abzeichnende bahnbrechend neue Raumvorstellung konnte die Wirkung eines Bauwerkes durch das Modell vorab geprüft werden. Modelle besaßen im Vergleich mit der meist genaueren, aber doch nur zweidimensionalen Zeichnung größere Überzeugungskraft. Die meisten Modelle zeichnet bis heute ein vereinfachender Abstraktionsgrad aus. So wird eine ästhetische Distanz geschaffen, die die essentielle Wirkung, den Charakter eines Bauwerkes gut sichtbar werden lässt. Auch Konrads frühere Modelle (zum Beispiel die Serie der „Architypes“, 2001) sind mit dieser minimalistisch anmutenden Reduktion ausgestattet. Bei „Stadtplaners Workshop“ wählt er jedoch eine eher an Spielzeuglandschaften erinnernde Detailgenauigkeit, die den abstrahierenden Modellcharakter zurücknimmt und die konkrete Materialität in den Vordergrund rückt.
Statt der Sterilität normaler Architekturmodelle betont Konrad den Fertigungsprozess: Auf der Straße gefundene Pressspanplatten, die einmal als Küchen, Schränke oder sonstige Möbel gedient haben, werden zersägt und so wie Bausteine eines Setzbaukasten wieder nutzbar gemacht. Das Material lässt die Skulpturen benutzt und gealtert wirken, so erzählt Konrad auch von der oftmals geringen Halbwertszeit moderner Architektur. „Stadtplaners Workshop“ kritisiert subtil die Entwurfsprozesse der Architekten und Städteplaner, die fern jeden Ortsbezugs Volumen anordnen, um zu einer abstrakt-formalen Lösung zu kommen. Man sieht die Stadtplaner der Prager Straße förmlich vor sich, wie sie seit Jahrzehnten die Modellbaukörper hin und herschieben, von der Zeitgeschichte längst überrollt.
Anne Schmedding